Akagera-Rhein e.V.
Deutsch-ruandischer Kulturverein
(Association culturelle germano-rwandaise)

PF 3723, 90018 Nürnberg

AKAGERA-RHEIN e.V. Sitz: Bonn / Vereinsregister-Nr.: 6871 (Amtsgericht Bonn)

17.01.2000

Offener Brief an den SPIEGEL-Herausgeber Rudolf Augstein

Sehr geehrter Herr Augstein,

wir möchten den Artikel über Ruanda "Mit Weihrauch und Machete" im SPIEGEL Nr.1/2000 (S. 122ff.) zum Anlaß nehmen, unser Befremden über die Ruanda-Berichterstattung des SPIEGEL auszudrücken. In diesem Beitrag wird die einseitige Positionsergreifung zugunsten des derzeitigen ruandischen Machthabers Paul Kagame fortgesetzt, die schon in dem völlig unkritischen Interview mit ihm im Heft 28/1999 (S. 130 ff.) zum Ausdruck kam.

Der Artikel über die katholische Kirche vom Januar 2000 suggeriert, sie trage eine Hauptschuld an der ruandischen Tragödie des Sommers 1994. ("Die meisten ihrer Priester und Nonnen hatten 1994 bei dem Blutbad teilnahmslos zugesehen oder gar den Mördern geholfen, die binnen hundert Tagen 800 000 Menschen umbrachten.") Eine solche Aussage ist völlig haltlos, wenn man bedenkt, daß ein Großteil der Bischöfe und Priester der ermordeten Volksgruppe angehörten. Man nehme nur den Fall des Tutsi- Bischofs von Nyundo, Monseigneur Kalibushi, der von Angehörigen der Hutu-Bevölkerung gerettet wurde. Auch sollte der Priester Andre Sibomana nicht vergessen werden, der jahrelang als Chefredakteur der katholischen Zeitschrift Kinyamateka für Demokratie und Menschenrechte gekämpft hat und dessen Tod ursächlich mit der Verweigerung einer Ausreisegenehmigung zur ärztlichen Behandlung durch Kagames Regime im Zusammenhang steht. Auch Bischof Thaddée Nsengiyumva, der Anfang Juni 1994 von Soldaten der Armee von Paul Kagame zusammen mit zwei weiteren Bischöfen ermordet worden ist, hat in diesem Geiste gekämpft. Kagame will nun in einem Musterprozess gegen den Bischof von Gikongoro, Augustin Misago, der Katholischen Kirche die Schuld an einer Katastrophe zuschieben, bei deren Verhinderung - wie der am 16. Dezember 1999 in New York veröffentlichte Untersuchungsbericht des ehemaligen schwedischen Ministerpräsidenten Carlsson in deutlichen Worten nachweist - die internationale Gemeinschaft sträflich versagt hat. Kagame hat alles Interesse, Schuldige zu finden, da er selbst nach der Ermordung von Staatspräsident Habyarimana am 6. April 1994 alle Aufrufe des Chefs der UNO-Truppen, des Tutsi-freundlichen kanadischen Generals Dallaire, zur Zusammenarbeit beim Schutz der bedrohten Tutsi-Bevölkerung zurückgewiesen hat. Der UNO-Sicherheitsrat hat - wo ist der Protest Kagames hiergegen geblieben? - am 22.04.I994 den wohl schlimmsten Beschluß seiner Geschichte gefaßt, als er die UNO-Blauhelmsoldaten auf 270 Mann reduzierte und auf diese Weise bewirkte, daß General Dallaire keine Möglichkeit hatte, die Tutsi zu schützen, Dieser Beschluß war geradezu ein Freibrief für das Morden. Der SPIEGEL-Satz: "Denn wenn es 1994 eine Institution gab, die dem Morden hätte Einhalt gebieten können, dann war es Ruandas katholische Kirche" stellt die Realität des Sommers I994 in absurder Weise auf den Kopf.

Auslöser der Massaker war der Abschuß (im SPIEGEL-Artikel wird entgegen allen Feststellungen der verschiedenen Untersuchungsausschüsse in Belgien und Frankreich von einem Absturz gesprochen) der ruandischen Präsidentenmaschine am 06.04.1994, bei der neben Präsident Habyarimana der burundische Staatspräsident Ntaryamira1 und die ruandische Armeeführung ums Leben kam. Auch nach mehr als fünf Jahren begnügt sich der SPIEGEL, diesen Abschuß als "mysteriösen Flugzeugabsturz" zu bezeichnen, ohne zu fragen, warum Paul Kagame - entgegen seiner Erklärung aus dem Jahre 1995 - keine Untersuchungskommission veranlaßt hat. Ist diese Zurückhaltung eines Mannes, der alles Interesse haben müßte, die offizielle Version zu beweisen, wonach extreme Hutu-Gruppen für das Attentat verantwortlich seien, nicht seltsam?

Der deutsch-ruandische Kulturverein "Akagera-Rhein e.V. appelliert an Sie, sehr geehrter Herr Augstein, eine Untersuchungskommission über den Abschuß der ruandischen Präsidentenmaschine zu fordern, damit endlich Klarheit über die Verantwortlichen dieses Attentats geschaffen wird. Erst danach ist es möglich, alle Verantwortlichen für die ruandische Katastrophe, die ja mit der Ermordung der ruandischen Flüchtlinge in den Wäldern des Kongo-Zaire und der völkerrechtswidrigen Besetzung von Teilen der Demokratischen Republik Kongo ihre Fortsetzung gefunden hat, vor ein internationales Gericht zu stellen.

Vorsitzender
Dr. Jean-Paul Rwasamanzi

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1 Der frühere französische Entwicklungsminister Debré hat vor dem Informationsausschuß der französischen Nationalversammlung eine interessante Erklärung gegeben, warum auf Einwirken des ugandischen Präsidenten Museveni die ruandische Maschine entgegen der Absicht von Präsident Habyarimana erst bei Dunkelheit in Kigali eintraf und warum der burundische Präsident in die Maschine des ruandischen Präsidenten gestiegen ist.